Sie vermuten richtig, die dielektrische Verspiegelung basiert auf Interferenz des an den Grenzflächen zahlreicher sehr dünner aufgedampfter Schichten reflektierten Lichts. Damit ist es der reflexmindernden Vergütung ähnlich, nur daß hier die Schichtfolgen und -dicken statt auf minimale Reflexion und maximalen Durchlaß umgekehrt auf maximale Reflexion und minimalen Durchlaß abgestimmt sind. Die Interferenz muß also mit einem Gangunterschied erfolgen, der um eine halbe Wellenlänge größer ist, um bei der Reflexion Addition statt Löschung zu erzielen. Das erfordert also andere (bei senkrechtem Lichteinfall um Lambda/4 größere) Schichtdicken.
Während Mehrschichtvergütung schon bei nur wenigen Schichten gegenüber einer Einschichtvergütung viel Gewinn bringt und daher oft weniger als 5 Schichten reichen und nur in besonderen Fällen von qualitätsbewußten Herstellern mehr als 10 Schichten verwendet werden, ist das bei dielektrischer Verspiegelung zu wenig. Deshalb werden für höchste Qualität, also einerseits für einen möglichst hohen Reflexionsgrad, aber andererseits auch - wie Sie schon richtig in Ihrer Überschrift sagten – für ausreichende Bandbreite über möglichst das ganze sichtbare Spektrum sehr viel mehr Schichten benötigt.
Wer hier spart, nur um mit nicht zu stark gestiegenen Kosten (gegenüber der Verspiegelung mit Aluminium oder Silber) sein Fernglas als „mit dielektrisch verspiegelten Prismen“ bewerben zu können, wird nicht ganz den hohen Reflexionsgrad um ca. 99,5% wie die Top-Hersteller und nicht die gleiche Farbneutralität (wegen nicht ausreichender Bandbreite oder zu starker Welligkeit der Reflexionsgrad-Kurve) erzielen. Es ist also ähnlich wie beim ebenfalls sehr komplexen Phasenkorrekturbelag: Es gibt in der praktischen Wirklichkeit Qualitätsabstufungen, so daß es sich empfiehlt, auch dann genau hinzuschauen und z.B. mit meinem Papiertest Helligkeit und Farbneutralität visuell zu überprüfen, wenn „dielektrisch verspiegelt“ auf der Verpackung steht.
Walter E. Schön