Nachträglich vorangestellte Erklärung: Diesen Beitrag wollte ich eigentlich an meine heute Mittag gegen 12:30 Uhr geschriebene Antwort auf den anmaßenden Beitrag von Herrn Nickel anhängen. Doch das war nicht möglich, da diese meine Antwort inzwischen aus unbekanntem Grund aus dem Forum verschwunden ist. Ich hänge meinen Beitrag deshalb hier an, weil sich die darin vorgenommene Berechnung auf die von Forumsteilnehmer „konfokal“ vermutete Ursache bezieht, die ich schon in meinem Beitrag von heute Mittag bezweifelte und nun wie folgt widerlegen kann. Die Einleitung bezieht sich noch auf meine verschwundene Antwort und wird daher nur den Lesern verständlich sein, die sie vor ihrem Verschwinden lesen konnten:
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Die Lampenreparatur ist unterbrochen (Ersatzteil muß erst besorgt werden), das Essen gekocht, und es hat gut geschmeckt, im Garten sind noch auf Drängen meiner Frau zwei über 8 m lang gewordene, erst letztes Jahr aus dem Boden geschossene Bambustriebe um je 3 m gekürzt und die abgeschittene Enden zur Entsorgung kleingeschnippelt. Da meine Frau dann aber trotz der Kälte (3,4°C) auch noch eine kleine Runde als Ersatz für einen richtigen Osterspaziergang drehen wollte, geht's jetzt erst weiter mit dem Messen, Rechnen und Schreiben.
Da ich im folgenden Text mehrfach das Wort „fusionieren“ gebrauchen werde, möchte ich vorab erklären, daß das soviel heißt wie „die beiden Bilder des linken und rechten Auges durch Einwärtsdrehen der Augen so zur Deckung bringen, daß der fixierte (angepeilte) Gegenstand nicht als Doppelbild erscheint“. Davor oder dahinter liegende Gegenstände können dabei je nach Entfernung aber durchaus mit Doppelkonturen wahrgenommen werden.
1. Ich habe mein Zeiss Victory 8x32 FL vor mir auf dem Schreibtisch und messe den Abstand der Okularachse von der Knickbrückenachse: er beträgt ziemlich genau 40 mm.
2. Aufgrund der in meinem vorigen Beitrag als Berechnungsgrundlage genannten Augenweiten der Personen A und B (eine könnte Herr Jülich und die andere Herr Nickel sein) von 70 mm bzw. 60 mm, wie sie Forumsteilnehmer „konfokal“ mit sehr großzügig angenommenem Unterschied ins Spiel gebracht hat, ergäbe sich dann als
„Knickbrückenwinkel“ für Person A = 2 arc sin (70 / (2 · 40)) = 122,09°
„Knickbrückenwinkel“ für Person B = 2 arc sin (60 / (2 · 40)) = 97,18°
und damit als Winkeldifferenz zwischen den Einstellungen für beide Personen 24,91°.
3.1 Nun kommen wir zu der von Forumsteilnehmer „konfokal“ vermuteten oder zumindest für möglich gehaltenen Windschiefe der Knickbrückenachse relativ zu den für eine der beiden Personen A oder B parallelen optischen Achsen. Diese Person müßte Herr Jülich sein, da er kein Fusionsproblem hatte. Ich denke, daß eine Richtungsabweichung der Knickbrückenachse von 1° schon die obere Grenze dessen sein dürfte, was man beim Betrachten des Fernglases noch nicht als „schief“ erkennt. Ich will daher mit diesem Winkel als der Richtungsabweichung der Knickbrückenachse von den optischen Achsen rechnen.
Diese Richtungsabweichung kann nach oben, unten, links oder rechts oder auch in irgendeine schräge Richtungen gehen. Wir beschränken uns auf die beiden Fälle mit 1. Richtungsabweichung horizontal und 2. Richtungsabweichung vertikal, womit letztlich alle Fälle abgedeckt sind, weil sich eine schräge Richtung immer als Überlagerung einer vertikalen mit einer horizontalen Komponente auffassen läßt. Eine horizontale Richtungsabweichung hat beim Abknicken des Fernglas bis zur Augenweite der anderen Person einen Fehlwinkel (Abweichung von der Parallelität) in vertikaler Richtung zur Folge, eine vertikale Richtungsabweichung dagegen einen Fehlwinkel in horizontaler Richtung. Der Fehlwinkel nach der Augenweitenänderung ist immer fast genau rechtwinklig zur Richtungsabweichung der Knickbrückenachse.
3.2 Ich denke, daß wir eine Richtungsabweichung der Knickbrückenachse in horizontaler Richtung von solcher Größenordnung aus doppeltem Grund ausschließen können. Erstens müßte der Richtungsunterschied zur jeweiligen opt. Achse auf der einen Seite -1° und auf der anderen +1° betragen, was man von oben betrachtet bei so perfekt symmetrischer Form des Fernglases schon mit bloßem Auge mit dem schlechtesten Augenmaß erkennen müßte. Zweitens wäre es dazu nötig, daß das Verbindungsstück zwischen der Knickbrückenachse und dem einen Rohr vorn gestaucht und hinten gedehnt und zwischen der Knickbrückenachse und dem anderen Rohr exakt um die gleichen Beträge vorn gedehnt und hinten gestaucht sein müßte. Wie so etwas durch Fall oder Schlag geschehen soll, wäre nur durch ein Wunder erklärbar: Aus welcher Richtung sollte ein seitlicher Schlag gegen die Knickbrückenachse möglich sein, der wirklich die Knickbrückenachse und nicht das aus dieser Schlagrichtung gesehen davor liegende Rohr trifft? Falls der Schlag aber nicht die Achse, sondern das Rohr getroffen hat, wieso verbiegt sich dann das Verbindungsstück auf der anderen Seite in genau entgegengesetzter Richtung? Dazu wäre eine auf einer der beiden Seiten „negative Massenträgheit“ nötig, die es nur in Science-Fiction-Romanen gibt. Aber vielleicht fehlt mir die Phantasie, um mir das vorzustellen, und „konfokal“ hat eine Idee, wie das doch möglich sein sollte.
3.3 Dagegen wäre ein Schlag von oben oder unten auf das vordere oder hintere Ende der Knickbrückenachse so denkbar, daß sich (unter Beibehaltung einer annähernden Symmetrie) eine vertikale oder zumindest annähernd vertikale Richtungsänderung der Knickbrückenachse ergibt. Das hätte dann also gemäß meiner Erläuterung am Ende von Absatz 3.1 einen horizontalen Fehlwinkel zur Folge. Wie ich den ausrechne, will ich jetzt noch nicht verraten, damit alle, die das als Training fürs Hirn ebenfalls ausrechnen wollen, erst einmal selbst nachdenken müssen. Aber ich nenne mein Ergebnis: Der horizontale Fehlwinkel wäre bei den oben zugrundelegten Parametern ca. 3,45°. (Dieser gilt okularseitig, also für das betrachtende Auge, und nicht objektivseitig, wo er umgerechnet nur 0,43° wäre).
4. Nun stellt sich die Frage, ob ein solcher Fehlwinkel zu den von Herrn Nickel beschriebenen Störungen (Kopfschmerzen) führen kann. Dazu müssen wir mehrere Dinge überprüfen.
4.1 Nehmen wir an, der Fehlwinkel würde aus den idealerweise parallelen optischen Achsen in Blickrichtung um 3,45° DIVERGIERENDE Achsen machen. Weil das zum Ausgleich ein Auswärtsschielen erforderte, könnte das jedem, der keinen Schielfehler hat, schon schwerfallen. Aber dann würde dieses Problem nicht im Nah-, sondern im Fernbereich bestehen, während Herr Nickel ausdrücklich erklärt hat, daß er die Kopfschmerzen nur bei Beobachtung im Nahbereich hat. Im Nahbereich würde der Fehlwinkel durch die natürliche und durch die 8fache Vergrößerung sogar noch erheblich verstärkete Konvergenz nicht nur kompensiert werden, sondern er würde sogar die für manche Menschen anstrengende hohe Konvergenz im Nahbereich abschwächen, eventuelle Beschwerden also im Nahbereich lindern und nicht verstärken. Ich denke, das genügt, um diese Möglichkeit auszuschließen.
4.2 Also müssen wir annehmen, daß der Fehlwinkel zu in Blickrichung um 3,45° KONVERGIERENDEN Achsen führt. Um zu klären, ab dann 3,45° viel oder wenig ist, betrachten wir den Vergenzwinkel beim normalen Nahsehen ohne und dann auch mit Fernglas. Ohne Fernglas können die meisten Menschen problemlos bis ca. 20 cm fusionieren (ich habe es gerade bei mir selbst probiert: ich schaffe es ohne Mühe bis ca. 13 cm). Wichtig: Es ist nicht gemeint, daß man auf diese Entfernung ein scharfes Bild sehen können muß; das können in der Tat nur junge Menschen mit gutem Akkommodationsvermögen oder Kurzsichtige. Gemeint ist, auf diese Entfernung in der Mitte geradeaus vor der Nase z.B. den Zeigefinger (evtl. unscharf) NICHT ALS DOPPELBILD zu sehen. Bei dieser Entfernung von 20 cm ist der Konvergenzwinkel für Person A mit 70 mm Augenweite ca. 19,85° und für Person B mit 60 mm Augenweite ca. 17,06°. Für mich wäre der Konvergenzwinkel bei der viel kürzeren Entfernung 13 cm und einer Augenweite von 67 mm ca. 28,9°. Laut Statistik liegt die Grenze bei den meisten Menschen bei knapp 30°, so daß mein Ergebnis im üblichen Rahmen liegt und keinen Extremwert darstellt.
4.3 Laut den von Zeiss angegebenen technischen Daten liegt die Nahgrenze für das Victory 8x32 FL bei 2 m. Bei dieser Entfernung ergibt sich mit einem korrekt kollimierten 8fach vergrößernden Dachkantfernglas (bei Porro wäre es anders!) ein Vergenzwinkel wie beim Betrachten ohne Fernglas auf 2 m : 8 = 0,25 m. Falls Herr Nickel wie Person A eine Augenweite von 70 mm hätte, betrüge dieser Vergenzwinkel 2 arc tan (70 / (2 · 250)) = 15,94°, falls er wie Person B eine Augenweite von 60 mm hätte, nur 2 arc tan (60 / (2 · 250)) = 13,69°. Ich nehme den ungünstigeren Wert 15,94° an, addiere den oben ermittelten Fehlwinkel von 3,45° und erhalte 19,39°. Das ist ein Wert, der nur ca. 2/3 dessen beträgt, was die meisten Menschen ohne Fusionsprobleme können, und er entspricht dem Vergenzwinkel, mit dem die Person A mit 70 mm Augenweite ohne Fernglas auf eine Entfernung von 70/2 : tan (19,39° / 2) = 204,9 mm fusionieren muß. Wenn ich dasselbe für Person B mit 60 mm Augenweite berechne, beträgt der durch den Fehlwinkel von 3,45° vergrößerte Vergenzwinkel 17,14, und das entspricht einer Fusion auf 199,1 mm ohne Fernglas. Beides müßte Herr Nickel, wenn, wie er wohl selbst meint, nicht seine Augen die Ursache des Problems sind, spielend bewältigen.
Sie sehen also, daß beim Fernglas Zeiss Victory 8x32 FL sogar bei einer mit ca. 1° ziemlich großen Richtungsabweichung der Knickbrückenachse von den optischen Achsen sowie bei dem schon beinahe als extrem anzusehenden Augenweitenunterschied von 10 mm (Augenweiten 70 mm und 60 mm) für den Extremfall der Nahgrenze von 2 m nur eine relativ harmlose Vergenzwinkelvergrößerung um 3,45° resultiert, die bei gesunder Augenmotorik kein wirkliches Problem darstellt, da die meisten Menschen erst bei um weitere 50% vergrößertem Vergenzwinkel in den Bereich kommen, in dem es für sie anstrengend wird und Kopfschmerzen verursacht.
Nun ist Herr Nickel wieder an der Reihe, uns zu sagen, ob er das Fernglas als „neu“ gekauft hat, warum er sich nicht an seinen Verkäufer gewandt oder, falls er es getan hat, was dieser Verkäufer gesagt und was Herrn Nickel veranlaßt hat, dann auch noch zu Herrn Jülich zu gehen. Herr Nickel sollte dann auch noch seine Augenweite mitteilen, damit ich, falls auch Herr Jülich seine Augenweite wissen läßt, die obige Berechnung „maßgeschneidert“ anpassen kann.
Und falls Forumsteilnehmer „konfokal“ ebenfalls den Fehlwinkel berechnet hat, wie ich es in meiner verschwundenen Antwort von 12:30 Uhr angeregt hatte, wäre es schön zu erfahren, ob auch er für dieselben Parameter zum Ergebnis 3,45° gekommen ist und ob er allen meinen obigen Darstellungen zustimmen kann.
Zu guter Letzt dürfte es darauf hinauslaufen, daß alles so ist, wie ich es von Anfang an vermutet hatte. Falls Herr Nickel das nicht glauben sollte, kann ich ihm nicht weiterhelfen.
Walter E. Schön
Nachtrag: Ich habe nach nochmaligem Durchlesen meines obigen Beitrags den in Klammern gesetzten letzten Satz von Absatz 3.3 hinzugefügt, um zu vermeiden, daß jemand meinen könnte, der Fehlwinkel würde durch die Vergrößerung des Fernglases noch vergrößert. Die Vergrößerung ist also im Wert 3,45° bereits eingerechnet!