Hallo Herr Merlitz,
> Da die Wellenoptik in unseren Lehrbüchern auf diversen Vereinfachungen beruht, kann ich mir sehr wohl vorstellen, dass man an einigen Stellen noch Leistung aus den Optiken herauskitzeln kann, die anhand der Standardformalismen nicht zu erwarten wären.
Max Born, "Optik" ist in der Tat schwere Kost. Glücklicherweise müssen wir bei Teleskoptiken keine Fresnelgleichungen lösen, sondern nur Fourier. :-)
> Ich kenne die Funktionsweise des Michelson-Sterninterferometers leider nicht gut genug...
Ich schätze da auch lieber die alten Klassiker der Literatur.
Otto Struve's Buch "Astronomie" ist einer meiner Lieblinge als Schüler gewesen und wohl heute noch verständlicher als der Unsöld. Vor allem konzentriert sich der Struve auf die beobachtende Astronomie - und spart sich wenigstens die Ausführungen über die geglaubte Endlichkeit des Universums und Hubble. :-)
Ich habe es mir kürzlich über das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB, im Internet: www.zvab.com) über eine fränkische Buchhandlung besorgt. Ich schätze das Buch deswegen, weil es alte Techniken gut erklärt, die im Zeitalter der CCDs unter die Räder gekommen sind. Dort ist m.E. gut erklärt, wie es funktioniert.
Im Internet gibt es eine etwas ausführlichere Version unter folgendem Link:
www.astro.uni-jena.de/Teaching/Praktikum/pra2002/node103.html
Streng genommen ist der Artikel sogar falsch, der Begriff Michelson Sterninterferometer nicht korrekt und eigentlich handelt es sich auch nicht um ein Fizeauinterferometer, auch wenn Fizeau es früher vorschlug, sondern um einen Young'schen Doppelspalt. Aber was soll's.
Ich habe als 16 Jähriger Jungspund mit einem 4 Zöller und einem verschiebbaren Interferometer aus Fotokarton Doppelsterne vermessen. Das Prinzip ist simpel und funktioniert wirklich sehr gut. Daher auch von didaktischem Nutzen.
> Sie behaupten also, ein Spiegelteleskop mit Obstruktion würde eine höhere Trennschärfe liefern als eines ohne ...
Naja, wie alles ist es etwas kniffliger. Die Fourier-Transformierte einer obstruierten Optik hat soweit ich mich erinnere einen schnelleren Abfall im Beugungsmaximum, damit eine schmalere Halbwertsbreite. Jedoch werden die Intensitäten in den Ringen höherer Beugungsterme angehoben. Minimal schärfer, aber dafür weniger Kontrast in der flächigen Umgebung des Zentralpeaks.
Wenn man jedoch bei Planetenoberflächen von Kontrast spricht muss man es eigentlich auf das Seeing beziehen. Was daher für einen 4 Zöller noch beugungsbegrenzt gilt, gilt für 8 bis 11 Zöller eigentlich schon nicht mehr, um eine hieb- und stichfeste Argumentation zugunsten eines Refraktors zu begründen. zudem sprechen wir bei solchen Objekten eigentlich über Helligkeitsvariationen, bei denen die hohe Dynamik einer Beugungsfigur nicht relevant ist. Spiegeloptiken haben i.A. deswegen einen schlechteren Kontrast, weil die preiswerten Newtons gleich noch horrende Optik-Restfehler haben (Koma & Co.). Das gilt für fotografisch optimierte Teleskope eigentlich schon gar nicht mehr. Bei Teleskopen, die Auflösungen jenseits des Seings liefern, ist es auch schon wurscht, welches wir nehmen. Hier tragen allenfalls noch die Fangspiegelstreben bei Cassegrains bei. Die Dynamik ist jedoch bereits in einem Helligkeitsumfang, den zwar unser Auge noch wahrnehmen könnte, ein CCD auf einem Einzelbild jedoch nicht mehr. Erst bei "tiefen" Jupiteraufnahmen sehen wir die Beugung der Fangspiegelstreben wieder. Irgendwo jenseits des Rauschens eines Einzelbildes. Und damit vernachlässigbar. Es sei denn man wollte die Verschiebung eines Sternbildes 14. Größe im Gravitationsfeld von Jupiter gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie messen... Sicher durchaus mit Amateurmitteln machbar. Hier würde ich mir dann doch über Streuung und Lichteffekte obstruierter Optiken Gedanken machen. Aber nur peripher. :-)
Reden wir über den Bruttoeintrag aller Effekte, so ist ein Refraktor theoretisch natürlich besser - wenn man sie denn in solchen Dimensionen noch stabil bauen könnte. Wegen der Durchbiegung sind Faltrefraktoren eine interessante Alternative. Andere System leiden plötzlich unter Verbiegungen des Tubus und das kann die ganze Optik wieder versauen. Netto bieten Refraktoren aufgrund anderer Umstände dann doch eigentlich keine Vorteile.
Den Farbfehler habe ich jetzt mal außer acht gelassen. Aber wie wir wissen leiden auch Spiegeloptiken unter Farbfehlern. Was diese Diskussion wahrscheinlich zusätzlich anheizen dürfte... :-)
Gruß
Thilo Bauer
9-mal bearbeitet. Zuletzt am 30.11.07 18:07.