Wie Ihre korrekte Berechnung unter Annahme der geometrischen Weglängen im Prismensystem von 75 mm bei Porro- und 100 mm beim Dachkantglas zeigen, erfolgt nicht nur eine Kompensation, sondern eine Überkompensation, so daß letztlich ein gut bemerkbarer Vorsprung für das Dachkant-Prismensystem bleibt. Ihr Text sagt das auch, aber die Überschrift leider nicht.
Ich möchte aber noch zwei weitere Feinkorrekturen anbringen, die zeigen, daß der Unterschied tatsächlich noch größer ist als von Ihnen berechnet.
1. Die Weglängen des Lichts durch das Prismensystem unterscheiden sich bei Porro und Dachkant etwas weniger als von Ihnen überschlägig angenommen (Porro-Weg = 75% des Dachkant-Weges) und erst recht, als von Herrn Merlitz zuvor angegeben (Porro-Weg = 70% des Dachkant-Weges). Ich habe mal die genauen Weglängenunterschiede für solche Prismen mit gleichem Durchlaßquerschnitt ausgerechnet:
Wenn ich für ein Abbe-König-Prismensystem eine Länge von 100 mm annehme, daß hätte ein Porro (egal, ob Typ I oder II) bei gleichem Durchlaß die Länge 76,9 mm und ein Schmidt-Pechan eine Länge von 102,3 mm.
Also hat ein Porrosystem einen nur um 23,1% kürzeren Lichtweg als ein Abbe-König-System und einen um 24,83% kürzeren Lichtweg als ein Schmidt-Pechan-System. Somit ergibt sich schon mal ein geringfügig (knapp 0,2%) größerer Vorsprung der Dachkantsysteme. Das ist nicht soviel, daß es der Rede wert wäre, aber es kommt jetzt noch eine zweite Korrektur hinzu, die sehr viel mehr ausmacht.
2. Die angenommenen geometrischen Lichtwege von 75 mm für Porro- und 100 mm für Dachkant-Prismensysteme sind ungeachtet der unter 1 angegebenen noch geringfügigen Korrektur deutlich zu klein für weitwinkelige Ferngläser von 42 mm bis 56 mm Öffungsdurchmesser. Realistisch dürfte für 42-mm-Weitwinkel-Ferngläser (also mindestens 60° SSW) ein Prismen-Durchlaßquerschnitt um ca. 33 mm sein, der dann bei einem Porrosystem eine Glasweglänge von ca. 132 mm, beim Abbe-König-System von ca. 172 mm und beim Schmidt-Pechan-System von ca. 176 mm zur Folge hätte. Bei Ferngläsern mit 50 mm oder gar 56 mm Öffnung wären die Glasweglängen noch größer. Diese Werte ergeben sich streng genommen nur dann, wenn das Prismensystem auf der Einlaß- und Austrittsseite einen gleich großen Querschnitt haben muß. Tatsächlich darf der Querschnitt aber auf der Austrittsseite etwa kleiner sein. Aber da das für alle drei Prismensysteme gilt und daher das Prisma auf der Austrittsseite (des in allen drei Fällen jeweils zweiteiligen Prismensystems) jeweils ein bißchen kleiner dimensioniert sein darf, will ich hier zur Korrektur noch jeweils 5% der obengenannten Glasweglängen abziehen.
Bei diesen so korrigierten Wegen (die auch meine Korrektur unter Punkt 1 berücksichtigen), ergeben sich folgende Reintransmissionen*:
Für Porro mit 125,4 mm Weglänge und T(10) = 0,992 ergibt sich 0,9042
Für Abbe-König mit 163,4 mm Weglänge und T(10) = 0,998 ergibt sich 0,9678
Für Schmidt-Pechan mit 167,2 mm Weglänge und T(10) = 0,998 ergibt sich 0,9671
Somit hat Abbe-König einen Vorsprung von 0,0636 oder 6,36%
und Schmidt-Pechan einen Vorsprung von 0,0629 oder 6,29% vor Porro.
Das heißt, daß die Überkompensation bei Berücksichtigung realistischer Prismenabmessungen großer Ferngläser (Ø 42 mm oder mehr) und der in Wirklichkeit geringeren Weglängendifferenzen, als von Ihnen und Holger Merlitz angenommen wurde, noch deutlich größer ist. Etwa 6,3% Unterschied ist beim heutigen Stand der Vergütungstechnik nicht mehr durch anderweitige Maßnahmen aufzuholen.
Walter E. Schön
* Zum Unterschied zwischen Transmission und Reintransmission:
Der Reintransmissionswert ist 100% minus Absorptionsverlust, also ohne Berücksichtigung des Verlustes durch Reflexion an den Grenzflächen. Das ist der Wert, mit dem wir hier rechnen müssen. Der Transmissionswert (ohne "Rein" davor) bezieht sich im Gegensatz dazu nicht auf die ins Glas eindringende Strahlungsleistung = 100%, sondern auf die auf die Glaseintrittsfläche auffallende Strahlungsleistung = 100%, schließt also die Verluste durch Reflexion mit ein.