All das ist richtig und findet meine Zustimmung. Nur müssen wir halt aufpassen, bei all diesen Komplikationen nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren und dann eventuell frustriert die Flinte ins Korn zu werfen. Faktum ist doch:
Der Effekt existiert, zumindest für manche Beobachter: Das Bild scheint als Ganzes zu rollen, und das, obwohl man nur einen kleinen Ausschnitt um die Blickrichtung herum wirklich scharf sieht. Außerhalb rollen dann keine scharf gezeichneten Objekte, sondern irgendwelche unscharfen farbigen Blobs, aber der Eindruck des gewölbten Bildes entsteht dennoch. Offenbar ist das Gehirn in der Lage, die Geschwindigkeiten von Objekten fern draußen in der Peripherie sehr genau abzuschätzen und in den Zusammenhang der Gesamtbewegung aller anderen Objekte zu setzen. Dies erfordert nachweislich eine enorme Rechenleistung. Aber warum dieser Aufwand? Man kann hier Szenarien konstruieren: Auf der Flucht durch ein Dickicht, links und rechts peitschen Äste ein, und in Sekundenbruchteilen müssen durch Bewegungsmuster der Objekte in der Peripherie Ausweichbewegungen getriggert werden. Ähnlich in der Situation eines Kampfes, wo ebenfalls keine Zeit für präzise Analysen bleibt, sondern reflexartig reagiert werden muss. Mit Stroboskopen konnte man messen, dass die Zeitauflösung von Signalen in den peripheren Bereichen der Retina höher ist als im fovealen Bereich. All das funktioniert trotz Abwesenheit von Schärfe. Wenn nun also das Bild, beschleunigt durch die Vergrößerung des Fernglases, zügig vor dem Auge vorbeigleitet, alle Punkte in Bewegung sind, dann ist dieser gewaltige Rechenapparat am Arbeiten und macht dabei als kuriosen Nebeneffekt die leichte Wölbung des visuellen Raumes sichtbar, während im statischen Bild die leichte Krümmung einer Kante fernab der Blickrichtung nie auffallen würde.
Visuelle Räume sind plastisch: Sie lassen sich durch Gewöhnung oder Training verändern. Du hast völlig Recht, dass etwa die Verzeichnung einer Brille die visuelle Verzeichnung durch Gewöhnung verändern dürfte. Ich hatte die Niederländer damals gefragt, ob sie auch zwischen Brillenträgern und Nichtbrillenträgern unterschieden haben, und eventuell auch Probanden hatten, die ihre Brillen während des Tests nicht trugen. Leider gab es diese Unterscheidungen nicht. Für die Praxis ist es letztlich egal: Da ein Fernglas keinen Verstellknopf für die Verzeichnung hat, braucht der Hersteller einen Kompromiss, mit dem möglichst viele Anwender zufrieden sind. Die alte Einstellung seit 1950, also die Winkelbedingung, hatte definitiv zuviel der kissenförmigen Verzeichnung, und sehr verzeichnungsarme Ferngläser (mit k > 0.8) werden auch häufig bemängelt. Aus der Verteilung der visuellen Verzeichnungen (Abb. 1 in meiner Antwort) wird klar, dass mit diesen Parameterwerten viele Beobachter keine hinreichende Korrektur ihrer Verzeichnungen erhalten.
Schau Dir mal ein SFL an und beurteile, ob k=0.7 für Dich OK ist und Du ein einwandfreies Schwenkverhalten empfindest.
Viele Grüße,
Holger
P.S. Ich habe bemerkt, dass die Animation des Zylinders bei k=1 unangenehm flackerte und habe das im Anhang noch einmal etwas optimiert.