Ich habe zwischenzeitlich die Muße gefunden, die Ausarbeitung von Herrn Schön genau zu studieren. Man muss sagen, dass er sich da wirklich viel Arbeit gemacht hat. Was mir allerdings auffiel ist, dass er von einem
verzeichnungsfrei UND
randscharf abbildenden Fernglas ausgeht. Beides ist nicht miteinander gekoppelt, d.h. ein Fernglas kann randscharf aber verzeichnend abbilden (als Beispiel sei hier das Canon 10x42 IS genannt) oder auch verzeichnungsfrei und mit Randunschärfe (als Beispiel könnte man das Swarovski 8x25 CL Pocket oder auch das Kowa 6,5x32 BD II nennen, wobei die Randunschärfe bei letzterem ausgeprägter ist). Ein verzeichnungsfreies UND völlig randscharfes Fernglas ist mir nicht bekannt und existiert wohl auch nicht. Wenn dem so ist, dann basiert Herrn Schöns Hypothese des Zylindereffekts auf einer praxisfernen Annahme.
Die Randunschärfe der allermeisten Ferngläser basiert auf Bildfeldkrümmung. Herr Schön erwähnt in seiner Ausarbeitung die Bildfeldkrümmung zwar, hält sie aber für die Zwecke seiner Argumentation für vernachlässigbar. Dem kann zumindest ich nicht zustimmen. Wenn man mit einem Bildfeldkrümmung aufweisenden Fernglas auf einen weit entfernten Punkt fokussiert (idealerweise auf Unendlich) und dann unter Beibehaltung dieser Fokuseinstellung ausprobiert, in welcher Entfernung Gegenstände liegen, die am Bildfeldrand scharf abgebildet werden (man braucht dazu nur das Fernglas so zu schwenken, dass irgendwelche näher gelegenen Objekte am Bildfeldrand ins Bildfeld geraten), dann wird man feststellen, dass solche Gegenstände ERHEBLICH näher sind als die Gegenstände, die bei der gewählten Fokuseinstellung in der Mitte des Bildfeldes scharf abgebildet werden. Ich selbst habe da Unterschiede im Bereich von 20 bis 50 und mehr Metern festgestellt (der Unterschied zwischen Mitte und Rand wird umso größer je näher sich ein Objekt am Bildfeldrand befindet und je stärker die Bildfeldkrümmung des untersuchten Fernglases ist). Im Ergebnis bedeutet das, dass Ferngläser (nicht alle, aber doch viele) dem Betrachter keine Schärfe
ebene abliefern, sondern vielmehr eine Schärfehalbkugel, wobei wie gesagt der Unterschied der Objektdistanz, die bei ein und derselben Fokuseinstellung scharf wiedergegeben wird, im Bereich von Dutzenden von Metern liegt. Ein solches Verhalten kann man meines Erachtens nicht vernachlässigen.
Ob Herr Schön unter Berücksichtigung der von ihm getroffenen Annahmen recht damit hat, dass sich ein "Zylindereffekt" einstellt, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen, meine allerdings, dass das von ihm gefundene Ergebnis selbst dann, wenn man dessen Richtigkeit unterstellt, nur für einen Spezialfall zutreffen kann, der die Gegebenheiten realer Ferngläser wie zuvor erläutert nur unzureichend berücksichtigt und deshalb keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben kann. Mit anderen Worten, selbst wenn im angenommenen Spezialfall der Zylindereffekt existieren sollte, so wird im realen Anwendungsfall aus diesem Zylindereffekt schon aufgrund der vorhandenen und im Regelfall eben nicht vernachlässigbaren Bildfeldkrümmung der Effekt werden, den viele Benutzer (auch ich, so ich ihn denn wahrnehme) zutreffender als "Globuseffekt" bezeichnen, weil vor dem eigenen Auge beim Schwenken des Fernglases eben kein Zylinder abrollt, sondern eine (Halb)Kugel.
Abschließend darf ich allen Mitforenten noch ein frohes neues Jahr in Gesundheit und Zufriedenheit wünschen.
Grüße
Andreas