Walter E. Schön schrieb:
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> Ich kann allen Interessierten nur empfehlen, meine
> sehr ausführliche Arbeit ohne die störende
> Einflussnahme durch den sein abwegiges Modell mit
> Zähnen und Klauen verteidigenden Holger Merlitz in
> Ruhe zu lesen. Meine Arbeit habe ich absichtlich
> größtenteils so formuliert, dass jeder technisch
> Interessierte sie auch ohne besondere
> mathematische Fähigkeiten verstehen kann: Im
> ersten Teil auf den Seiten 1 bis 5 wird der
> Sachverhalt durch informative Abbildungen und gut
> verständlichen Text plausibel gemacht und anhand
> eines konkreten Beispiels (8fach vergrößerndes
> orthoskopisch = nicht verzeichnend abbildendes
> Fernglas mit einem scheinbaren Sehwinkel von 60°
> (±30°) sogar durch ein daraus resultierendes
> Diagramm unterfüttert. Dabei wird auch bewiesen,
> dass der vermeintliche „Globuseffekt“ tatsächlich
> ein Zylindereffekt ist. Auf den Seiten 6 bis 8,
> die von mathematisch nicht Versierten übersprungen
> werden können, folgt dann die exakte mathematische
> Berechnung für x-beliebige Vergrößerungen und
> scheinbare Sehwinkel. Die anschließend wieder
> weitgehend leicht verständlichen Seiten 9 und 10
> bringen ein Fazit und Empfehlungen zur
> Unterdrückung bzw. Abmilderung des sog.
> Globuseffekts oder richtiger des Zylindereffekts.
>
Hier nochmal der Versuch einer Klärung ohne Rechnung, denn es ist letztlich eine Frage wie unser Gehirn die vom Auge gelieferte mit diversen starken Bildfehlern behaftete Information interpretiert. Beim schnellen Schwenken des Fernglases wird ein Problem sichtbar, das auch bei statischer Beobachtung existiert nur als solches weil es klein ist kaum wahrgenommen wird:.
Würde man die Decke eines Planetariums mit einem feinmaschigen quadratischen Netz überziehen und den Fußboden analog kacheln wird ein Beobachter in der Mitte wegen seiner Erfahrung beides korrekt als quadratische Kachelmuster interpretieren und auch nicht irritiert sein wenn er die Augen bewegt oder den Kopf schwenkt; eine Kamera mit einem Weitwinkelobjektiv oder eine Lochkamera senkrecht nach oben oder unten gerichtet wird dagegen die Kacheln am 'Himmel' zum Bildrand hin kissenförmig verzeichnet abbilden. Um im Alltag mit beiden Situationen klar zu kommen wählt unser Gehirn einen Mittelweg in dem es Bilder mit einer leichten tonnenförmige Verzeichnung und unserem Wissen um was es sich handelt interpretiert, das ist durch Helmholtz lange bekannt und wurden in späteren Untersuchung untermauert und verfeinert. Ein reguläres Kachelmuster erweckt daher genau genommen auch statisch betrachtet den Eindruck als befände es sich auf einer schwach gekrümmten Kugelfläche, nur bemerken wir dies nicht, da wir das Muster aus dem Kontext heraus, z.B. die Fußbodenkacheln des Planetariums als quadratisch/regulär und eben interpretieren. Beim schnellen Schwenken des Fernglases fällt dies dagegen auf, denn das Gehirn ist an diese Situationen nicht gewöhnt, ein Kachelmuster läuft so schnell über die Netzhaut, dass unser Gehirn die Form nicht aus dem Kontext heraus sondern basierend auf der leichten tonnenförmigen Verzeichnung interpretiert und es uns daher scheint als wenn wir auf einen rotierenden großen Globus blicken. Hier spielt auch die Vergrößerung eine wichtige Rolle, denn ohne oder bei niedriger Vergrößerung wird diese geringe tonnenförmige Verzeichnung durch die beim Schwenken auf tretende trapezförmige, perspektivische Verzerrung ('stürzende Linien' bei vertikalem Schwenken) völlig überdeckt. Man kann dies mit einer Kamera mit Wechselobjektiven – diese sind in der Regel orthoskopisch korrigiert - leicht nachprüfen, beim Weitwinkel sieht man beim Schwenken nur die perspektivische Verzerrung, beim einem starken Tele und kleinem Gesichtsfeld wird letztere sehr gering doch man wird man wegen der rechteckigen Begrenzung des Sucherbildes auch beim Schwenken das Bild eher korrekt interpretieren und die leichte tonnenförmige verzeichnete Interpretation des Gesehenen durch das Gehirn, die beim Fernglas mit runden Gesichtsfeld dort als Globuseffekt stören kann, nicht bemerken.
Wie wir die vom Auge gelieferten Signale wahrnehmen und interpretieren ist weitgehend ein Gewöhnungseffekt: Ob Neugeborene Bilder zuerst tatsächlich auf dem Kopf sehen ist schwierig nachzuweisen, doch Experimente haben gezeigt, dass man sich an eine Brille die alles auf den Kopf stellt so sehr gewöhnen kann, dass man lesen oder sogar Fahrrad fahren kann. Etwas näher am Alltag, Träger einer Gleitsichtbrille sind anfangs wegen ihrer erheblichen Verzerrungen beim Treppensteigen oder auch wenn bei Änderung der Blickrichtung der Computerbildschirm scheinbar seine Form ändert verunsichert, doch nach einigen Tagen gibt sich dies, das Gehirn passt die Interpretation an die Verzerrungen der Brille an und der Bildschirm wird unabhängig von der Blickrichtung wieder korrekt als Rechteck gesehen. Unser Gehirn leistet bemerkenswerte Anpassungen: Wenn wir eine 'halbe' Lesebrille tragen, also für die Ferne über den unteren Teil hinweg blicken fügt es beide Bilder trotz der Veränderung und Verzerrung der Brille recht harmonisch zu einem Gesamtbild zusammen. Und der Vergleich beim Planetarium oder zwischen Fernglas und starkem Teleobjektiv zeigt, dass unsere Wahrnehmung auf den Kontext bezogen ist und innerhalb von Sekunden kann unser Gehirn die Interpretation anpassen, viele optische Täuschungen beruhen darauf.
Die aktuellen Ferngläser streben gemäß den Arbeiten von Holger Merlitz durch die Wahl der Korrektur zwischen orthoskopischer und winkelgetreuer Abbildung einen Kompromiss an (k etwa 0.7) bei dem beim Schwenken und bei der statischen Beobachtung das Ergebnis befriedigend ist.
Beste Grüße
Thomas
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.01.24 00:36.